Finanzföderalismus#

Wird die Finanzwirtschaft eines Staates untersucht, so werden die verschiedenen Ebenen eines Staates, die über ein eigenes Budget, eigene Einnahmen und Ausgaben verfügen, betrachtet. In Deutschland sind dies beispielsweise der Bund, die Bundesländer und die Gemeinden. Diese Einheiten werden als Gebietskörperschaften bezeichnet. Dabei werden den einzelnen Körperschaften Aufgaben zur Bereitstellung öffentlicher Güter übertragen. Die Einteilung eines Staates in unterschiedliche Ebenen kann die Leistungsfähigkeit des Staates insgesamt erhöhen. Im folgenden betrachten wir unterschiedliche Aspekte staatlicher Aufgaben und wie diese von einem sogenannten Finanzföderalismus profitieren können. Insbesondere soll ein Augenmerk darauf gelegt werden, was bei dessen Ausgestaltung zu beachten ist.

Ausgangspunkt ist hierbei die Bereitstellung von öffentlichen Gütern. Diese sind im Wesentlichen gekennzeichnet durch Nicht-Rivalität und Nicht-Ausschließbarkeit. Abgestuft werden diese außerdem nach ihrem Nutzerkreis. Nutzerkreise können zum Beispiel geografisch in lokale, nationale und globale Nutzerkreise unterteilt werden. Ein Nutzerkreis besteht aus den Individuen, denen das öffentliche Gut nützt. So nutzt ein Park in „Stadt A“ der Bevölkerung von „Stadt A“, jedoch nicht der Bevölkerung von „Stadt B“, während Klimaschutz allen Menschen Nutzen stiftet. Dabei können, insbesondere bei lokalen öffentlichen Gütern, Ballungs- oder Überfüllungskosten entstehen. Wird der Park in „Stadt A“ sehr stark genutzt, so steigen die Kosten der Stadt für Pflege und Instandhaltungsmaßnahmen. Dadurch sinken die Kosten mit steigender Bevölkerung nicht mehr monoton, wie das bei öffentlichen Gütern ohne Ballungskosten der Fall ist. Daher werden öffentliche Güter mit Ballungskosten auch als „quasi – private Güter“ betrachten.

Heterogene Präferenzen#

Heterogenität in Präferenzen kann ein Argument für die dezentrale Ausgestaltung des öffentlichen Sektors sein. Je größer die betrachtete Einheit, desto heterogener die Präferenzen der in ihr lebenden Individuen. Werden nun größere Einheiten in kleinere unterteilt, so kann das die Heterogenität innerhalb der Einheit reduzieren. Dies führt zu Pareto-Verbesserungen in der Bereitstellung öffentlicher Güter. Zwei Gebietskörperschaften mit unterschiedlichen Präferenzen stellen jede für sich eine eigene optimale Menge eines öffentlichen Gutes bereit. Erfolgt die Bereitstellung zentral, so wird die bereitgestellte Menge ein Kompromiss aus den optimalen Mengen die sich Gebietskörperschaft 1 und 2 wünschen sein. D.h. die bereitgestellte Menge ist für keine der beiden Gebietskörperschaften optimal. Je unterschiedlicher die Präferenzen der Körperschaften, desto größer der relative Unterschied.

Spillover#

Im Idealfall sind Gebietskörperschaft und Nutzerkreis identisch. Nutzt ausschließlich der Nutzerkreis einer Gebietskörperschaft das bereitgestellte Gut, so wird dies perfekte Kongruenz genannt. Sind Körperschaft und Nutzerkreis nicht identisch (inkongruent), so ist die effiziente Bereitstellung des Gutes nicht mehr gewährleistet. Wird berücksichtigt, dass für jedes öffentliche Gut eigene Präferenzen und eigene Nutzerkreise vorliegen, so wird deutlich, dass der Idealfall nicht immer erreicht werden kann. Würde für jedes Gut eine einzelne Körperschaft geschaffen, so wären sehr viele Körperschaften nötig, die sich in ihren räumlichen Grenzen unterscheiden. Unterscheiden sich die räumlichen Grenzen der Nutzung und der Kosten, wird dies „Spillover-Effekt“ genannt. Wird z.B. ein Museum von jemandem genutzt, der aus einem anderen Nutzungskreis kommt, so nutzt dieser das Museum aus, ohne die Steuerlast zur Finanzierung zu tragen. Die Lösung für solche Probleme kann in horizontalen Ausgleichszahlungen zwischen den betroffenen Körperschaften bestehen.

Steuerwettbewerb#

Nimmt man an, dass Individuen mobil sind, dann könne sie die Gebietskörperschaft wählen, die ihnen, gemessen an ihren Präferenzen, unter Beachtung der entstehenden Kosten den höchsten Nutzen bereitstellt. Daher bemühen sich die jeweiligen Einheiten (z.B. Gemeinden), eine möglichst attraktive Mischung aus Nutzen und Finanzierungslast anzubieten. Die Einheiten befinden sich somit in einem ständigen Steuerwettbewerb. Dies kann positive und negative Effekte haben. Zum einen ist es oft unklar wie groß die tatsächliche Zahlungsbereitschaft für bestimmte öffentliche Güter sind. Wie viel ist Ihnen ein zusätzlicher Park wert? Wie viel eine Bushaltestelle? Wie viel ein Schwimmbad? Wenn unterschiedliche Einheiten unterschiedliche Bündel von öffentlichen Gütern bereitstellen, können Individuen die Einheit wählen, die Ihnen am besten gefällt („Abstimmung mit den Füssen“). Zum anderen kann der Steuerwettbewerb auch zu einer Unterbietung in den Steuersätzen führen. Wählt eine Gemeinde einen hohen Steuersatz, so kann dies zu Abwanderung von Einwohnern oder Kapital führen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn die Steuereinnahmen zur Umverteilung benutzt werden (siehe unten). Dies jedoch führt zu einem Anstieg der Steuereinnahmen einer anderen Gemeinde, zu der das Kapital gewandert ist. Das nennt sich positive fiskalische Externalität. Um diese Externalität zu internalisieren können wiederum Transferleistungen vereinbart werden. Dies ist ein Argument für einen Finanzausgleich zwischen Gebietskörperschaften.

Umverteilung#

Bisher wurden vor allem ökonomische Fragestellungen der Verteilungseffizienz betrachtet. Wird eine effiziente Menge bereitgestellt? Sind die entstehenden Kosten möglichst gering? Lassen sich Externalitäten vermeiden? Nicht betrachtet wurden jedoch (normative) Fragen, wie beispielsweise die Frage der Gerechtigkeit. Wird angenommen, dass die Nutzenfunktion auch altruistische Elemente enthält, oder große soziale Ungleichheiten zu Kriminalität oder andere negative Konsequenzen führen, die sich negativ auf das eigene Nutzenniveau auswirken, so lassen sich auch solche Fragen grundsätzlich untersuchen. Es ist anzunehmen, dass die lokale Verringerung von z.B. Kriminalität sich stärker auf den eigenen Nutzen auswirkt, als die Senkung von weit entfernten Kriminalitätsraten. Daher kann die dezentrale Umverteilung eine Pareto-Verbesserung erzielen. Die „Nehmer“ profitieren von der Umverteilung direkt, die „Geber“ profitieren von einem Nutzenzuwachs, der größer ausfällt, als die Kosten der Umverteilung betragen. Dies führt jedoch zu einem weiteren Problem. Individuen werden sich dort niederlassen, wo sie am meisten von der Umverteilung profitieren. „Nehmer“ ziehen in Gebiete, in denen die Zuweisungen am höchsten sind, „Geber“ ziehen in Gebiete in denen die Differenz aus Nutzenzuwachs und Kosten maximal ist. Dem wird entgegengewirkt, indem die Umverteilung größeren Gebietskörperschaften übertragen wird, da die Mobilitätsbereitschaft mit zunehmender Entfernung abnimmt.

Quellen#